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Wo ist der Boden?
Wo ist der Boden?
In den vergangenen vier Tagen sind die Aktienkurse stärker gefallen als in den dunkelsten Stunden der Finanzkrise im Oktober 2008. Die amerikanischen Aktienmärkte sind damit so schnell wie noch nie in einen Bärenmarkt abgestürzt … die Liste der negativen Superlative ist leider lang.
Über das Virus ist viel geschrieben und geredet worden in den letzten Wochen. Wir wollen und können hier nicht selbst eine Bewertung der medizinischen Tatsachen vornehmen, aber drei Umstände scheinen Konsens zu sein. Erstens ist die weltweite Ausbreitung des Virus nicht mehr aufzuhalten. Zweitens kann die Pandemie das wirtschaftliche Leben weitgehend lahmlegen. Drittens hat die Entwicklung in China und Süd-Korea gezeigt, dass es möglich ist, die Ausbreitung der Krankheit stark zu verlangsamen, bis eine effektive Behandlung möglich ist.

Die Kurse der Aktienmärkte sind um 25% bis 40% gefallen, zwischenzeitlich verstärkt durch einen Ölkrieg zwischen Russland und Saudi-Arabien. Keine dieser beiden Entwicklungen wurden vorhergesehen und unsere Bemühungen, die Volatilität der Portfolios einzudämmen, kamen spät (per heute liegt die Aktienquote in unserem Balanced Fonds bei 38% ‒ und damit etwa 15% unter der Normalquote). Hinzu kommen erhebliche Einbrüche an den Anleihemärkten.
Die entscheidenden Fragen, die sich heute für die Investoren stellen, sind folgende:
Wie schlimm wird es für die Wirtschaft?
Es wird eine Rezession in Europa und den USA geben, von der wir heute weder wissen, wie lange sie dauern, noch wie tief sie sein wird. Entsprechend machen sich Angst und Spekulation breit.
Kommt das öffentliche Leben zum Erliegen, sind in erster Linie kleine und mittelständische Unternehmen betroffen. Taxifahrer, kleine Ladenbesitzer oder Reisbüros werden es sehr schwer haben in den nächsten Monaten. Großunternehmen hingegen haben es leichter, sich über längere Zeit zu finanzieren.
Nicht alle Wirtschaftszweige sind gleichermaßen gefährdet: Tourismus und Gastronomie, Automobilindustrie, Luftfahrt, Ölindustrie, Banken und produzierendes Gewerbe sind am stärksten betroffen. Digitale Dienstleister wie die Software-Industrie sind weniger betroffen, ebenso wie das Gesundheitswesen.
Wie lange die Rezession dauert, ist völlig offen. Es kann zu einer monatelangen Schockstarre kommen, die sowohl die Angebotsseite (Unterbrechung der Lieferketten) als auch die Nachfrageseite (der Konsum reduziert sich auf das Lebensnotwendige) betrifft.
Zweierlei spricht allerdings dafür, dass es nicht zu einem Worst-Case-Szenario kommen wird: Erstens werden Regierungen und Zentralbanken dafür sorgen, dass kleine und mittelständische Unternehmen weiterhin Zugang zu Bankkrediten haben. Es wird staatliche Programme zur Überbrückung der kommenden Monate geben (Kurzarbeitergeld etc.). Die Zentralbanken werden durch Eingriffe in die Regulierung dafür sorgen, dass die zur Verfügung gestellte Liquidität auch bei den Unternehmen ankommt. Zweitens hat die Erfahrung in China gezeigt, dass es möglich ist, das Virus einzudämmen und die Fabriken und Büros nach zwei Monaten wieder hochzufahren. Auch diese Krise wird vorbeigehen.
Durchschnittlich erreichen Rezessionen nach drei Monaten ihren Tiefpunkt. Wenn die Rezession Ende Februar begonnen hat, wäre Ende Mai der Tiefpunkt erreicht. Die Aktienkurse erholen sich in der Regel deutlich vor diesem Zeitpunkt.
Warum reagieren die Aktienmärkte so extrem?
Die alles entscheidende Frage ist, wie nachhaltig die sich allmählich zeigenden wirtschaftlichen Verwerfungen sind und über bloße Verschiebungseffekt vom ersten in das zweite bzw. dritte Quartal hinausgehen. Betroffen sind vor allem, neben dem Ursprungsland China und seinen asiatischen Nachbarn, europäische Exportnationen wie Deutschland. Besser stehen die USA da, wo auch die jüngsten Daten die Hoffnung auf eine Stabilisierung nähren. Tröstlich ist außerdem, dass es von monetärer und fiskalischer Seite Optionen für ein aktives Gegensteuern gibt.
Die Geschwindigkeit, mit der die Aktienmärkte in den letzten Tagen und Wochen abgestürzt sind, ist ohne Beispiel. Die wahrscheinlichste Ursache ist eine Zwangslage bei vielen Marktteilnehmern, um jeden Preis Liquidität schaffen zu müssen – um Schulden zu begleichen oder um für einen sich abzeichnenden Liquiditätsengpass vorzusorgen.
Eine gute wirtschaftliche Entwicklung, niedrige Volatilität und positives Momentum haben zuletzt zum Kauf von Aktien eingeladen – dieser Einladung haben offensichtlich viele Marktteilnehmer mit geborgtem Geld Folge geleistet. Der Bullenmarkt der letzten 12 Jahre hat allgemein zu Sorglosigkeit geführt, aus der es nun ein sehr rüdes Erwachen gab.
Hinzu kommt das plötzliche Verschwinden der Liquidität aus großen Teilen der Anleihemärkte (europäische Staatsanleihen haben gestern etwa 1,5% verloren), der Crash vieler Rohstoffe (Gold war mit -3,3% ein schwacher Trost) und die immer größere Rolle quantitativer Strategien im Aktien- und Anleihenmarkt, welche zu einer schnellen Verschärfung negativer Kursentwicklungen führen.
Das Ausmaß und die Geschwindigkeit des Absturzes an den Börsen ist jedenfalls kaum mit Fundamentaldaten zu rechtfertigen. Diese sind schlicht noch nicht verfügbar. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Unternehmen am gestrigen Tag 10% ihrer Ertragskraft eingebüßt haben. Offensichtlich sind die Märkte wie zuletzt 2008 von Panik ergriffen. Das führt zu emotionalem Stress (den wir deutlich nachempfinden können), der die Panikverkäufe nur noch verstärkt.
Wo findet der Aktienmarkt seinen Boden?
Um es klar zu sagen: Der Corona-Schock wird vorübergehen und die meisten Unternehmen werden ihn überleben, um auch in Zukunft gute Gewinne zu erzielen. Die Wirtschaft passt sich schnell veränderten Umstände an und die Forschung wird Medikamente und Impfstoffe entwickeln, bevor die Lichter ausgehen. Viele Unternehmen sind heute an den Börsen sehr günstig bewertet, wenn sie im nächsten Jahr auch nur annähernd wieder an das Gewinnniveau der Vergangenheit anknüpfen können. Wenn etwa auch die Gewinne des Jahres 2021 noch um 20% unter denen des Jahres 2019 liegen (und damit auf dem Niveau des Jahres 2014), ist der DAX lediglich mit dem 12-fachen Kurs-Gewinn-Verhältnis bewertet und damit historisch billig. Ähnliches gilt für die amerikanischen Leitindices.
Alle Stress-Indikatoren befinden sich ebenfalls auf extremen Niveaus und implizieren damit Kaufkurse. Wer gestern den Mut gefunden hat, Aktien zu kaufen, dürfte mittelfristig auskömmlich belohnt werden.
Leider bedeutet dies nicht, dass wir heute schon die Tiefstkurse gesehen haben müssen, denn eine alte Börsenweisheit lautet: Schlimmer geht immer. Bis der Nebel der Schlacht sich im Frühsommer lichtet und der kühle Blick auf die Bewertungen wieder zu seinem Recht kommt, dürften wir noch einige volatile Tage sehen und gute Nerven benötigen.
Funktionieren die Geschäftsmodelle?
Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang lautet: Funktionieren die Geschäftsmodelle der Firmen, in die wir unser Geld investiert haben, auch nach der Corona-Rezession noch? Und hier lautet die Antwort eindeutig: Ja. Viele der Unternehmen, in die wir investiert haben, werden nach der Rezession vermutlich sogar noch besser dastehen als vorher. Amazon wird auch im nächsten Jahr noch erfolgreich E-commerce und Rechenzentren betreiben, Apple wird weiterhin sehr viele IPhones verkaufen und Fresenius Medical Care wird weiterhin seine Dialysepatienten versorgen. Unternehmen, die Telemedizin-Dienstleistungen anbieten (Teladoc und JD.com), werden zu den Gewinnern zählen, ebenso wie Anbieter von Cloud-Dienstleistungen für Unternehmen (Microsoft, Amazon, Zendesk).
Einige Geschäftsmodelle werden durch die Corona-Rezession erheblichen Schaden erleiden. Etwa könnte es sein, dass Geschäftsreisen dauerhaft durch Videokonferenzen ersetzt werden, wenn im Zuge des massenhaften Home Office immer mehr Firmen realisieren, dass sich viele Meetings ökologischer, billiger und weniger zeitaufwändig über Skype oder Zoom abhalten lassen. Für Luftfahrtgesellschaften und Flugzeugbauer wäre das eine schlechte Nachricht, für die Umwelt eine gute. Die Ölindustrie wird sich ebenfalls auf dauerhaft niedrige Preise einstellen müssen und damit auf den Umstand, dass viele ihrer Projekte, etwa in kanadischem Ölsand, nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sind.
In die Branchen, deren Geschäftsmodell nun angeschlagen ist, haben wir schon vor der Krise nicht investiert. Unsere Aktien sind erheblich billiger geworden, die dahinterstehenden Unternehmen aber nicht schlechter.
Was ändert sich mittel- bis langfristig?
Wie bereits angedeutet, dürfte die Digitalisierung durch die Corona-Krise noch einen Schub bekommen.
Der vielleicht interessanteste Effekt könnte die Vertiefung der Kapitalmarktunion in der Eurozone sein. Denn die italienischen Staatsfinanzen dürften bald an ihre natürliche Grenze gelangen. Für Deutschland und den Norden stellt sich dann die Frage, ob man die Italiener ihrem Schicksal überlässt oder nicht doch Eurobonds einführt.
Man sollte keine gute Krise ungenutzt verstreichen lassen. So könnte das Coronavirus zum Geburtshelfer einer Kapitalmarktunion in Europa werden und damit dem Euro endlich den institutionellen Unterbau verschaffen, den er nötig hat.
Fazit
Es mag in dieser Situation voreilig klingen, aber die Aktienmärkte werden bald einen Boden finden und der Himmel wird uns nicht auf den Kopf fallen. Die Angst wird vergehen, ebenso wie der von den Verlusten der letzten Tage verursachte Schmerz. Heute gilt es, den Mut und die Nerven zu behalten.
Stand: 13.03.2020
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